Ich kann nicht schwanger werden

Ein Gastbeitrag für Pinolino

Über mehrere Jahre versuchen Anja und Paul ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Als klar war, dass es auf natürlichem Wege nicht funktionieren wird, sollte die Medizin nachhelfen. In diesem Gastbeitrag teilt Anja mit uns ihre sehr persönlichen Erfahrungen mit der Hormonbehandlung und erzählt, was ihr nach dieser langen und schwierigen Zeit geholfen hat wieder zu sich zurückzufinden.


Als mein Mann Paul und ich – er war damals 28 und ich 27 – vor ca. fünf Jahren den Entschluss fassten eine Familie zu gründen, waren wir super aufgeregt. Wir standen beide fest im Berufsleben und hatten gerade ein Haus gekauft mit zwei freien Zimmern. Die Voraussetzungen waren perfekt. Also setzte ich ganz bewusst die Anti-Baby-Pille ab und weihte meine Gynäkologin bei der nächsten Routineuntersuchung in unsere Planung ein. Sie verschrieb mir nach einer Blutuntersuchung nur leichte Hormone, um alles etwas anzukurbeln.

Wir waren zuversichtlich, hatten dieses tolle Ziel. Das erste Baby in der eigenen Familie, das erste Enkelkind für unsere Eltern. Unsere Geschwister sollten das erste Mal Tante und Onkel werden. Der Gedanke daran war so erfüllend. Ich konnte es kaum abwarten.

Die Familienplanung musste unterbrochen werden

Dass ich in der ersten Zeit des „Übens“ noch nicht schwanger wurde, fanden wir nicht bedenklich. Klar gab es hin und wieder Zweifel, aber so richtig stutzig wurden wir erst nach ca. einem halben Jahr. Leider musste Paul dann 2 Monate später wegen eines angeborenen Herzfehlers ins Krankenhaus. Eine riskante OP stand bevor und der Kinderwunsch wurde zurückgestellt. Jetzt war es nur wichtig, dass Paul sich gut erholt. Die schlimmen Schmerzen und die lange Zeit der Genesung zogen sich über Monate. An Familienplanung war nicht zu denken. So vergingen fast 1 ½ Jahre ohne Schwangerschaft.

Als Paul wieder fit war, gingen wir dann alles etwas aktiver an. Meine Gynäkologin war nun irgendwie Teil unseres Intimlebens. Um die Chancen einer Schwangerschaft zu erhöhen, löste ich meinen Eisprung mit hCG-Spritzen selber aus. Sich selbst zu spritzen fiel mir als Krankenschwester schon extrem schwer – ich fragte mich oft, wie es wohl Laien dabei ging. Zu den Spritzen kamen noch stärkere Hormone und Liebe nach Zeitplan.

Wieder vergingen Wochen und Monate. Alles lief immer gleich ab: Jeden Tag Tabletten nehmen, ein Mal im Monat Spritzen setzen, innerhalb eines bestimmten Zeitfensters intim werden, Schwangerschaftstest, 2 Wochen warten, das negative Ergebnis einstecken… Von Zyklus zu Zyklus stieg die Angst. Was stimmt denn nicht mit mir? Was wird aus Paul und mir, wenn es nicht klappt? Mich machte das alles unheimlich traurig.

Ich fühlte mich richtig krank

Hinzu kamen die starken Nebenwirkungen der Hormone. Ich hatte grausame Unterleibsschmerzen, Stimmungsschwankungen und war wegen der Wassereinlagerungen total aufgequollen. Das Thema Kinder war bei mir früher immer so voller Freude und Liebe. Jetzt waren es erstmal nur viele medizinische Fachausdrücke. Ich fühlte mich überhaupt nicht mehr wohl in meiner Haut.

In der Zwischenzeit wurden einige Freundinnen schwanger. Das gönnte ich natürlich jedem, freuen konnte ich mich aber ehrlich gesagt nicht. Verwandte und Bekannte, die nicht involviert waren, stellten ständig unbequeme Fragen. An diese Zeit erinnere ich mich überhaupt nicht gerne. Irgendwann ließ Paul sich dann auch durchchecken – wir hatten beide keine Bilderbuchwerte.

So konnte es nicht weitergehen. Die Nebenwirkungen der Hormone sind sicherlich auf absehbare Zeit hinnehmbar, aber irgendwann konnte ich nicht mehr und auch jeden Monat einen negativen Schwangerschaftstest auszuhalten wurde immer schwerer und frustrierender. Auf Empfehlung meiner Gynäkologin recherchierten wir nach Kinderwunschkliniken in unserer Umgebung und warteten wochenlang auf den ersten Termin. Seit dem Zeitpunkt, an dem wir nicht mehr verhüteten, bis hier hin waren nun fast schon 2 Jahre vergangen.

Nächster Schritt: Kinderwunschklinik

Dann war es soweit: Wir saßen mit einer guten Portion Hoffnung endlich im Wartezimmer einer Kinderwunschklink, doch alle Paare, denen wir hier begegneten, ließen buchstäblich die Köpfe hängen. Es gab keine Gespräche, die Stimmung war merklich angespannt, selten wurde uns mal ein mitleidiges Lächeln zugeworfen. Jeder wusste ja auch genau aus welchem Grund die anderen Patienten hier waren. Wir fühlten uns vorher schon „nicht ganz gesund“ doch jetzt fühlten wir uns richtig krank. Mit den anderen hier stimmt etwas nicht, mit uns auch nicht.

Mittlerweile war ich fast 29 – die anderen Patienten schätzte ich fast alle auf Ende 30. Die Gedanken kreisten: Ist das jetzt ein gutes Zeichen? Haben wir noch mehr Puffer nach oben? Etwas mehr Zeit auf der biologischen Uhr? Dann hätte es doch auch so schon gelappt! Kopf hoch! Wir sind nicht alleine mit dem Problem. Wir sind jetzt hier und alles wird gut…

Es wurde eine humangenetische Untersuchung durchgeführt, hier war soweit alles super. Die Grundstimmung unserer Ärzte war sowieso unheimlich positiv und die prozentuale Chance, dass ich schwanger werden würde, fanden sie super hoch. Es schien überhaupt kein Problem zu geben. Der Plan war nun die In-vitro-Ferilization, also die künstliche Befruchtung. Das bedeutet die Spermien von Paul werden mit meinen Eizellen im Reagenzglas zusammengeführt und wieder in meine Gebärmutter eingesetzt. Ich muss zugeben, dass der Gedanke an ein Ende des Stundenplan-Intimlebens mich total erleichterte! Ich liebe Paul, aber es war extrem anstrengend auf Knopfdruck und einem komischen Mix aus Zweifel und Hoffnung den Kopf auszustellen – vom Unwohl-Sein wegen des aufgeplusterten Wasser-Körpers mal ganz abgesehen…

Bei den Kosten für die ganze Behandlung mussten wir schlucken. Obwohl unsere Krankenkasse die Hälfte übernahm, kamen 7.000 € Selbstbeteiligung auf uns zu. Der Kinderwunsch war in mir aber so tief verankert, dass ich nichts unversucht lassen wollte. Ersparnisse hin oder her. Die Wahrscheinlichkeit, dass es direkt beim ersten Mal klappt, war ja laut unserer Ärzte so wahnsinnig hoch und ich habe mich schon ein kleines Baby im Arm wiegen sehen

Damit die richtigen Voraussetzungen gegeben waren und meine Eizellen wachsen konnten, wurde die Hormondosis nochmal um ein vielfaches erhöht und obwohl ich es zu diesem Zeitpunkt nicht für möglich hielt, wurden auch die Nebenwirkungen schlimmer. Ab da musste ich mir jeden Tag eine Spritze in den Bauch setzen – da rein wo doch eigentlich schon längst ein kleiner Mensch hätte wachsen sollen. Also Augen zu und durch, einfach machen, nicht nachdenken, jeden Tag. Mein Bauch war voller blauer Flecke und Einstichstellen. Unser Wortschatz erweiterte sich nochmal mehr um viele Fachbegriffe und mein Sucherverlauf im Internet war eindeutig: „Überstimmulationssyndrom“, „Mikronährstofftherapie“, „Risiken IVF“ und und und. Ich fuhr ca. zwei Mal die Woche zur Kinderwunschklinik, damit die Hormonwerte und die körperliche Entwicklung gecheckt werden konnte. In der Zwischenzeit wäre ich gerne arbeiten gegangen, hätte mich um meine Patienten gekümmert anstatt selbst eine Patientin zu sein. Wegen der schlimmen Unterleibschmerzen war ich aber fast durchgehend krankgeschrieben. So stieg auch der psychische Druck, denn ich hatte meinen Kolleginnen gegenüber ein unheimlich schlechtes Gewissen, ständig zu fehlen.

Und wieder warten…

Dann endlich: Unter Narkose wurden Eizellen entnommen. Das war nicht schlimm, ich hatte danach keine eingriffsbedingten Schmerzen oder andere Beschwerden. Alles war in Ordnung und auch bei Paul passte alles soweit. Die Zellen wurden also befruchtet und wieder bei mir eingesetzt. Und obwohl wir das Warten auf ein Ergebnis ja gewohnt waren, war es diesmal doch anders. Wir versuchten uns in diesen 2 Wochen bestmöglich abzulenken und positiv zu bleiben, machten nur was uns gemeinsam als Paar gut tat. Unsere Gynäkologin teilte uns dann das Ergebnis mit: Es hat nicht geklappt. Ich konnte es kaum glauben, fühlte mich leer, wollte nur nach Hause, die Vorhänge zuziehen und allein sein. Die Ärzte schienen mir wie Betrüger, die unsere Hoffnung so gepusht haben, dass ich nur noch tiefer fiel als all die Male zuvor.

Ein paar Tage vergingen. Ich ging durch die Straßen und sah nur schwangere Frauen. Alle waren so glücklich. Ich war es nicht. Paul und ich gingen mittlerweile auch nach außen sehr offen mit dem Thema um. Wenn Menschen fragten „wann es denn endlich bei uns so weit sei“, antworteten wir ehrlich, dass es gerade nicht klappt. So war das Thema zumindest schnell beendet und wir mussten uns keine Ausreden einfallen lassen, bei denen viele nur noch tiefer bohrten. Unsere Freunde googelten viel und versuchten uns bei Laune zu halten. Bei unseren Familien fanden wir immer Rückhalt. Ich habe zwei Schwestern, wir haben ein gutes Verhältnis zueinander. Mit ihnen kann ich über alles reden und zusammen traurig sein. Die größte Bezugsperson war neben meinem Mann aber meine Mutter. Für Paul war das natürlich etwas schwieriger, sich als Mann vor anderen zu öffnen.

Wie geht es jetzt weiter? Nochmal Kopf hoch? Schaffen wir das Ganze ein weiteres Mal? Ich war einfach am Ende, sowohl körperlich als auch psychisch. Unserer Ehe tat es nicht gut, das machte mir Sorgen. Kriegen wir nochmal 7.000 € zusammen? Möchten wir überhaupt nochmal so viel Geld und Energie investieren? Machen meine Arbeitskollegen das noch mit?

Wir haben viel nachgedacht, alles mit unseren Familien besprochen und fanden es toll, wie hoch die Bereitschaft von allen war, uns auch finanziell zu unterstützen. Solche schwierigen Momente schweißen tatsächlich zusammen und ich merkte, wie sehr ich mich auf meine Lieben verlassen kann.

Also gut, Paul und ich sind uns einig: Wir wollen es noch ein einziges Mal probieren!

Wir setzten alles auf diese eine letzte Karte!

Es ging also von vorne los: Jeden Tag Einspritzstellen in dem Minenfeld suchen, das mal mein Bauch war, die Nebenwirkungen aushalten, Paul meine Stimmungsschwankungen spüren lassen, erschöpft und träge Zuhause sein, ständig in die Klinik und so weiter. Weil es beim ersten Mal aus unerklärlichen Gründen nicht geklappt hat, wurden uns noch weitere Maßnahmen empfohlen, die die Chancen erhöhen könnten, z. B. zahnmedizinische Untersuchungen, Ernährungsberatung etc. Alles natürlich nicht kostenlos. Zwischendurch kam ich mir vor wie bei einem Mobilfunkanbieter, bei dem noch „Pakete“ dazu gebucht werden können.

Ein letztes Mal warten – leider mit dem selben verdammten Ergebnis: nicht schwanger. Die Enttäuschung war riesig. Der größte Wunsch in meinem Leben war tatsächlich unerreichbar, es gibt keine Chance mehr eigene Kinder zu bekommen. Das zu begreifen und zu verarbeiten war nicht leicht, wir hatten beide das Gefühl unsere Familien zu enttäuschen und versagt zu haben. Mehr konnten und wollten wir aber nicht. Ich habe ca. einen Monat gebraucht, um mich wieder zu sammeln.

Dann raffte ich mich auf und ging wieder zur Arbeit! Auf meiner Station liegen viele Patientinnen, die schwanger sind ohne es geplant, sogar ohne es gewollt zu haben. Manche rauchen und trinken während der Schwangerschaft, nehmen ihre Tabletten nicht, im besten Falle turnten schon zwei Kinder bei diesen Frauen im Zimmer herum, die keinerlei Beachtung bekamen. Mir wurden diese Fälle erst mal nicht zugeteilt, was gut war. Ich hätte diese Nachsichtigkeit und Selbstverständlichkeit nicht gepackt und wäre den Frauen wohl an die Gurgel gegangen. Das Arbeiten an sich tat mir aber sehr gut, vor allem, sich wieder gebraucht zu fühlen. Grundsätzlich waren meine Patienten, bis auf die wenigen Ausnahmen, auch toll und bei meinen Kolleginnen habe ich viel Unterstützung erfahren dürfen.

Wir brauchten dringend Zeit für uns!

Ab da haben Paul und ich uns ein ganzes Jahr lang nur auf uns konzentriert und sind z.B. viel gereist: Südfrankreich, Stockholm, Wien… Wir haben es uns richtig gut gehen lassen und uns als Paar wieder gefunden, haben uns geliebt, weil wir es wollten und nicht, weil es verschrieben wurde.

Hier und da haben wir trotzdem schon über alternative Familienplanung gesprochen, das Thema war also noch nicht gegessen. Der Gedanke, einem kleinen Menschen ein schönes Zuhause bieten zu können, gefiel uns beiden. Bis zum Ende des Jahres wollten wir uns aber Ruhe gönnen und dann entscheiden, ob und was für uns in Frage kommt.

Anja und Paul brauchten ein Jahr Auszeit

Wir haben in der Zeit mit dem Gedanken, eigene biologische Kinder zu bekommen, abschließen können, aber nicht eine Familie zu gründen. Ich bin froh, dass wir unser Ziel trotz dieser langen schwierigen Zeit nicht aus den Augen verloren haben und beieinander geblieben sind, denn jetzt sind wir überglücklich… Was alles noch passiert ist möchte ich aber erst in einem der nächsten Pinolino blog Beitrag erzählen – so viel möchte ich aber schon verraten: Ein Kinderzimmer in unserem Haus ist nicht leer geblieben 🙂

Ich würde es nicht anders machen!

Im Nachhinein möchte ich noch sagen, dass alle Beteiligten, alle Ärzte und Schwestern immer sehr empathisch waren und für alles ein offenes Ohr hatten. Wir haben uns immer in guten Händen gefühlt. In der ganzen Zeit haben wir Paare kennengelernt, die teilweise schon 12 erfolglose Versuche der künstlichen Befruchtung hinter sich gebracht hatten und mehrere Kredite aufnehmen mussten – davor habe ich riesen Respekt! Selbst wenn es bei uns keinen finanziellen Druck gegeben hätte, hätten wir nicht noch mehr Versuche gestartet. Trotzdem bereuen wir nichts, auch nicht den zweiten Versuch in der Kinderwunschklinik – die „was wäre wenn“-Frage hätte uns wohl nicht in Ruhe gelassen.

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